Demos gegen rechts – ja! AfD verbieten – nein!

Mir ist bewußt, dass bei dieser Überschrift ein Shitstorm losgehen wird. Vor Allem bei den 90% der Leser, die nur die Überschrift lesen und automatisch getriggert reagieren. Ich hoffe aber, dass der Eine oder Andere doch bis zum Schluss liest und sich etwas überraschen lässt - ja, vielleicht am Ende diese Aussage der Überschrift mitträgt.

Es ist erschreckend, wenn ich sehe, wie ein Familienmitglied (90 J) zusammenzuckt, wenn es irgendwo knallt. Wie die Angst wirkt vor dem was ausserhalb der Wohnung passiert, überall auf der Welt. Möglichst keine Nachrichten mehr hören, keine Filme sehen, in denen Gewalt eine Rolle spielt, nichts mitbekommen von Krieg und Leid. Die Zeit als Kind im Bunker, die Angst vor den Fliegerangriffen, kommt jetzt viele Jahre später zum Vorschein. Eine starke Person, die in ihrem ganzen Leben jede Situation gemeistert hat und uns immer Vorbild gewesen ist und die jetzt in den Kindheits-Erinnerungen der Nazi-Zeit gefangen ist.

Glaubt mir, jede Demo gegen rechts, gegen die Ideologie der Nazis, die für diese Situation der alten Menschen verantwortlich ist, ist mir willkommen. Und ich bin stolz auf unser Land, in dem so viele Menschen auf die Strasse gehen, um ihre Ablehnung dieser Ideologie deutlich zu machen. Es kann kaum genug getan werden diese Ideologie und die davon profitierenden Parteien unschädlich zu machen.

Aber was spricht dann gegen den Antrag für ein AfD-Verbot? Wenn ein Verbot kommt, wäre es ein guter (erster) Schritt. Die Frage ist allerdings, ob es überhaupt kommen kann. Im Jahr 2017 wurde ein (zweites) Verbotsverfahren gegen die NPD abgewiesen, obwohl eindeutig festgestellt wurde, dass sie verfassungsfeindlich agiere. Seither steht sehr deutlich fest und wurde auch in dem Urteil (2 BvB 1/13 vom 17. Jan. 2017) dargelegt, dass die Hürde für ein Verbot sehr hoch ist. Natürlich lassen sich verfassungswidrige Bestrebungen nachweisen. Und auch ein damals strittiger Punkt ist bei der AfD sicher kaum noch umstritten, zumindest in den östlichen Landesteilen der Republik, nämlich die klaren Regierungschancen der Partei in der Parteienlandschaft und damit die tatsächliche Chance der Demokratie nachhaltig zu schaden.

Aber würde das ausreichen? Würde es nicht dazu führen, dass die eindeutigen Äußerungen nur einzelnen Personen zugeschoben und die dann geopfert würden? So, wie vor Kurzem erst der persönliche Referent von Frau Weidel, der meiner Meinung nach sicher nicht nur aus persönlichem Antrieb am umstrittenen Geheimtreffen teilgenommen hat, um der Parteispitze davon zu berichten. Dass Bauernopfer teil einer Macht- und Sieg-Strategie sind, ist nicht nur aus dem Schach bekannt.

Würde ein gescheitertes Verbotsverfahren nicht vielleicht sogar der AfD in die Hände spielen und sie deutlich stärken? Die NPD ist nach dem gescheiterten Verbotsverfahren scheinbar in der Versenkung verschwunden. Scheinbar! Denn sie hatte keine Mandate mehr in Folge, aber sie tritt seit Juni 2023 unter dem Namen „Die Heimat“ und mit gleicher Zielrichtung erneut an. Wäre es nicht der AfD auch möglich, sich einen unverfänglicheren Namen zu geben und einfach weiter zu machen? Sollte man dieses Risiko eingehen?

Und wenn das Verbotsverfahren wider Erwarten erfolgreich sein sollte, was wäre damit erreicht? Ist die AfD tatsächlich das Problem? Ich denke nicht. Das eigentliche Problem ist das verfassungswidrige Gedankengut, das die Mitglieder dieser Partei verbindet und von ihnen vertreten wird. Dieses Gedankengut wäre doch mit einem Parteiverbot nicht auch ausgemerzt. Was hindert die Menschen Ihre Bestrebungen in einer neu gegründeten oder anderen existierenden Partei, wie zum Beispiel der „Heimat“ weiter zu verbreiten und zu betreiben?

Ja, unsere Demokratie ist in Gefahr! Kein Zweifel. Doch diese Gefahr ist nicht juristisch zu beseitigen, sondern ausschließlich demokratisch. Die Hürden für ein Parteiverbot sind sehr hoch. Und das ist gut so. Denn ein juristisches Verbot, ein Verbot durch das Bundesverfassungsgericht, würde dem Geist, dem Grundgedanken einer Demokratie entgegen stehen. Die einzig wahre und demokratische Möglichkeit, eine Partei in die Bedeutungslosigkeit zu schicken, ist, sie nicht zu wählen.

Es ist der Grundgedanke eines demokratischen Miteinanders, aus unterschiedlichen Meinungen und Richtungen wählen zu können und dem Willen der Mehrheit eine zeitlang zu folgen. Unterschiede, Vielfältigkeit und Kompromisse sind die Werkzeuge einer funktionierenden Demokratie. Und wenn eine Partei diese Vielfalt und die demokratischen Prinzipien infrage stellt, dann sollte man sie ächten und bedeutungslos machen durch ein Kreuz an anderer Stelle.

Und ja, die Demonstrationen gegen rechts sind eine wichtige und eine aktuelle Notwendigkeit, auf den gewollten Weg der AfD hinzuweisen und sie zu stoppen - mit den Mitteln der Demokratie, die sie vernichten wollen!

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