Am 04. August 2018 werden wir für die #Seebrücke auf die Strassen gehen und unsere Städte in orange tauchen. Wir werden laut sein, für die Menschlichkeit streiten und gegen das passive „Ertränken“ der Flüchtlinge im Mittelmeer. Wir werden für das Recht auf Asyl kämpfen und gegen die Abschottungspolitik der Regierenden in Europa. Wir werden uns dafür stark machen, dass Menschen in Not ohne Wenn und Aber geholfen werden muss. Ich bin dabei (in Duisburg), Du auch? Und trotzdem erlaube ich mir die Frage: Was wird dann am 05. August 2018 davon noch übrig sein?
Wenn Du morgen in der Menge der Menschen stehst, wärest Du bereit jeden, der neben Dir steht, freundlich in den Arm zu nehmen und ihm zu sagen „Schön, daß es Dich gibt!“? Du weißt jetzt nicht ob da ein „geruchintensiver“ Obdachloser stehen wird oder ein festlich gekleideter Schwarzafrikaner, ein langbärtiger Islamist oder ein Kleinkind mit Rotznase, Dein politischer Gegner oder der verhasste Nachbar, Dein Friseur oder ein langjähriger Freund. Anders gefragt: Wärest Du bereit Deine bisherigen Grenzen um der Sache willen zu überschreiten?
Wenn wir alle die Hilfe für Menschen in Not ernst meinen, dann sollte auch die Romafrau, der Obdachlose, der Strassenmusiker, die sich bettelnd in der Stadt der Demonstration befinden am Abend einen vollen Becher haben. Dann sollten selbst der Betrunkene an der Strassenecke und der Junkie, auf der Suche nach Geld für den nächsten Schuss, morgen einen Freudentag haben.
Das geht zu weit? Es geht ja morgen um die #Seebrücke, um die Flüchtlinge im Mittelmeer? Meinst Du wirklich?
Ok. Bist Du bereit mitzufahren und den Verletzten die eiternden Wunden zu versorgen, den Kindern das Salzwasser aus den tränenleeren Augen zu spülen, dem alleingelassenen Jugendlichen ein Gefühl von Geborgenheit zu vermitteln? Oder, wenn Du nicht so einfach weg kannst. Bist Du bereit einen Füchtling in Deiner Wohnung aufzunehmen? Bist Du bereit über den 04. August hinaus für die Rechte und die Versorgung der Geretteten zu kämpfen? Sicher werden viele genau dafür bereit sein. Und das verdient höchste Anerkennung, genau wie die bereits geleistete Flüchtlingshilfe vieler haupt- und ehrenamtlicher Helfer. Und damit wir uns richtig verstehen, die Demonstrationen des Day Orange am 04. August 2018 sind wichtig und nicht verzichtbar!
Doch es muss weiter gehen. Die Demos des Day Orange werden nichts verändern, wenn wir uns nicht verändern. Und da schliesse ich mich ausdrücklich mit ein.
Wir, Du und ich, sollten endlich aufhören Angst zu haben. Kein Flüchtling nimmt uns etwas weg. Kein Flüchtling will unsere Wohnung. Kein Flüchtling will uns an den Kragen und uns in den Himmel bomben. Sie alle wollen etwas abhaben von unserem Überfluss! Wohlgemerkt Überfluss! Das was ohnehin zu viel ist. Das was uns arm macht sind nicht die Flüchtlinge, sondern unser Überfluss. Und der zerstört auch die Heimat der Flüchtlinge.
Und deshalb kann der Day Orange nicht genug sein. Es muss endlich weiter gehen.
Wann stehen wir endlich zu Hunderten oder gar Tausenden in ganz Europa vor den Mülltonnen der Lebensmittel-Großkonzerne und Discounter und verhindern die Vernichtung brauchbarer Lebensmittel? Und auch Lebensmittel mit abgelaufenem MHD sind noch eine Weile brauchbar! Angst vor der Polizei, vor rechtlichen Sanktionen? Wie viele Menschen müssen eingesperrt werden, um ein Ziel friedlich durchzusetzen? Was geschieht, wenn die Lebensmittelvernichtung nicht mehr Grund für hoch gehaltene Preise sein kann?
Wann treffen wir gemeinsam als Bürger und Mieter die Entscheidung Mieterhöhungen über einen kleinen Rahmen hinaus nicht mehr anzuerkennen, weil sie nicht mehr zahlbar sind? Wann schreiten wir zu Tausenden ein, wenn zwanzig Menschen in einer Wohnung einer Schrottimmobilie wohnen sollen und völlig überhöhte Mieten in Barzahlung verlangt werden? Wann hören wir auf Mieten zu zahlen, die durch nichts gerechtfertigt sind, als die Gier der Wohnungsunternehmen und ihrer Fondgesellschaften dahinter? Aus Angst vor Wohnungslosigkeit? Was spricht dagegen eine große Wohnung mit mehreren zu beziehen und sich die Zimmer zu teilen? Waren wir nicht mal in einer Zeit, in der WGs modern waren? Was hindert uns daran die Notsituation für uns umzuwandeln?
Wir standen und stehen so oft vor den Zügen, die Atommaterial von einem Ort zu einem anderen verbringen. Wann stehen wir zu Hunderten oder gar Tausenden vor den Toren der Rüstungsindustrie und verhindern die Lieferung von Waffen in Krisengebiete? Aus Angst? Da lassen wir lieber die Menschen in den Kriegsgebieten ihre Angst?
Unsere Angst und unsere übersteigerte Form des Individualismus machen all das erst möglich. Und das sind nur drei Beispiele aus einer Vielzahl von nötigen Schritten, die meiner Meinung nach auf den 04. August 2018 folgen müssen.
Lasst uns endlich die Fluchtursachen bekämpfen. Und dazu müssen wir nicht ins Land der Flüchtlinge um da für Ordnung zu sorgen. Nein wir müssen hier, in unserem Land, in unserem Umfeld etwas verändern. Wir müssen uns verändern und unser Verhalten. Wir müssen begreifen, dass unser Wohlstand geborgt ist von den Menschen in Not, überall auf der Welt. Wir müssen unseren Wohlstand dafür nicht aufgeben, aber wir müssen lernen, dass Wohlstand nicht Überfluss ist.
Ich muss nicht vier Scheiben Brot kaufen, damit ich, obwohl mit zwei Scheiben bereits satt, noch eine dritte zum Spaß essen kann und eine vierte wegwerfen. Ich muss nicht aus 600 Brotsorten auswählen können um eine Scheibe Brot fürs Abendessen zu haben.
Ich muss nicht ein Tier schlachten um zwei saftige und zarte Schnitzel auf den Grill legen zu können und der überwiegende Teil des geschlachteten Tieres wird vernichtet, weil niemand mehr bereit ist Innereien oder fettige Seiten zu essen. Früher wurde das ganze Tier verwertet. Aber da gab es auch keinen Zwang zum Überfluss.
Ich muss keine kerzengerade Schlangengurke für den Salat kaufen, in dem Wissen, dass zwei Drittel der Ernte vernichtet wurde, weil sie nicht gerade genug war. Im Salat sieht niemand der Gurke an ob sie krumm war. Das einzige krumme an dieser Sache, sind die Gedanken überbezahlter Europaabgeordneter, die solche Dinge veranlassen.
Es gibt viel zu tun – wenn wir es ernst meinen! Aber
Die Demos des Day Orange werden nichts verändern,
wenn wir uns nicht verändern.
Ab 04. August 2018 treten wir an zum Ändern.
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